Instrumentenglossar

Relative Solmisation

Die Solmisation ist eine bestimmte Methode zur Einstudierung von Gesang und zur Stimmbildung, bei der man alle Tonstufen auf bestimmte Silben singt. Die europäische Tradition der Solmisation führt zurück auf das Mittelalter bzw. auf die Zeit Anfang des 11. Jahrhunderts, als es noch keine Noten gab. Vor Guido von Arezzo, der die Solmisation einführte, wurden für die musikalische Notation Zeichen, sogenannte Neumen, benutzt, die keinen Aufschluss über die genaue Länge oder Höhe des Tons zuließen.

Historischer Abriss über die Entwicklung der relativen Solmisation:

  • 1742 hatte Jean-Jacques Rousseau eine Ziffernmethode vorgestellt, die den Grundton mit der Ziffer 1 notierte, die zweite Stufe mit der Ziffer 2 etc..  Die sieben Ziffern wurden auf die traditionsreichen Silben ut, ré, mi, fa, sol, la, si gesungen.
  • Der Mathematiker Pierre Galin, sein Schüler Aimé Paris und dessen Schwager Emile Chevé arbeiteten die rousseausche Methode aus und machten die Galin-Paris-Chevé-Methode vorübergehend sehr erfolgreich.
  • Auch die Engländerin Sarah Ann Glover knüpfte an den alten Solmisationsgedanken an und entwickelte ihn weiter, nicht zuletzt, indem sie die Tonsilben anglizierte (doh, ray, me, fah, soh, lah, te) und abkürzte (d, r, m, f, s, l, t). In der Silbe soh wurde das guidonische sol an die übrigen mit Vokal endenden Silben angeglichen, das te verdankte sich dem Umstand, dass sich ein se in abgekürzter Form nicht vom soh unterschieden hätte.
  • 1842 veröffentlichte John Curwen, ein von Heinrich Pestalozzi geprägter Erzieher, einen ersten Artikel über Glovers Ansatz; in der Folge überarbeitete er diesen Ansatz mit viel Geschick und propagierte ihn als Tonic-sol-fa-System in ganz Großbritannien; 1870 schließlich ergänzte er die Methode durch Aimé Paris’ Taktsprache und durch selbst entwickelte Handzeichen.
  • Agnes Hundoegger adaptierte das Prinzip in der Tonika-Do-Methode für den deutschsprachigen Raum, Zoltán Kodály in der Kodály-Methode für Ungarn, Edwin E. Gordon in der Music Learning Theory für die USA und Dick Grove für die Jazzpädagogik und -Harmonielehre, speziell die Akkordskalentheorie und als Basis für Jazzharmonisation und -Reharmonisation.
  • Auf Kodály aufbauend entwickelte der estnische Chorleiter Heino Kaljuste eigene Solmisations-Silben für das Gebiet der UdSSR. Da in der UdSSR die Guidonischen Silben für die absolute Solmisation verwendet wurden, entwickelte Kaljuste für die relative Solmisation eigene Silben mit veränderten Konsonanten, aber unter Beibehaltung der Guidonischen Vokale. Von Heino Kaljuste wurden für die relative Solmisation die Silben jo, le, wi, na, so, ra, ti verwendet.
In der „relativen“ Solmisation seit Sarah Ann Glover stehen die Tonsilben do, re, mi, fa, so, la, ti, do für jegliche Durtonleiter (sei es C-Dur, Des-Dur, D-Dur oder Es-Dur …), die Tonsilben la, ti, do, re, mi, fa, so, la für jegliche natürliche Molltonleiter (sei es a-Moll, gis-Moll, g-Moll oder fis-Moll …). In der harmonischen Molltonleiter mit ihrer erhöhten siebten Stufe wird aus dem so ein si, in der melodischen Molltonleiter zusätzlich aus dem fa ein fi – Erhöhungen werden also durch den helleren Vokal i angedeutet. Entsprechend stehen dunklere Vokale für Erniedrigungen, bei manchen Autoren a und o, bei anderen konsequent u. Die wichtigsten Hoch-Alterationen sind dodi, reri, fafi und sosi, die wichtigsten Tiefalterationen tita, lalo und mima  bzw. titu, lalu und mimu.